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Psychotherapieplatzsuche: Schritt 3

Am 28. Oktober 2018 leiteten wir unsere Beitragsserie Psychotherapieplatzsuche – eine kleine Einführung in 3 Schritten ein. In Schritt 1 haben Sie einen Überblick über die verschiedenen Psychotherapieformen bekommen. Schritt 2skizzierte die psychotherapeutische Versorgungslandschaft. Schritt 3 stellt den Schlusspunkt dieser Beitragsserie dar und beschäftigt sich mit der Vorbereitung auf die erste Psychotherapiesitzung. Hoffentlich konnten wir nützliche Anregungen für die Therapieplatzsuche zur Verfügung stellen. Viel Erfolg bei der Therapieplatzsuche!


© S. Kim / Venedig, Italien

Es wird bald Frühling, denkt sich Sandra, als sie nach einer Therapiesitzung die Nachmittagssonne in ihrem Lieblingscafé genießt. Zunächst blättert sie im Buch eines libanesischen Schriftstellers, das sie kurz zuvor beim Spazieren aus einer Grabbelkiste gefischt hat. „Die Blumen des Frühlings sind die Träume des Winters“, schreibt Khalil Gibran. Diese Worte sind für Sandras Geschmack im nahesten Sinne zwar etwas zu blumig, nichtsdestotrotz entscheidet sie sich dazu, die Worte als Überschrift für einen Tagebucheintrag zu verwenden. Der Cappuccino schmeckt ihr heute besonders gut. Irgendetwas scheint sich in ihrem Leben zu verändern. Ihr Blick bleibt für einige Minuten an einer alten Holztür hängen, vor der jemand ein paar bunte Blumen gestellt hat. Sie schmeckt mehr, fühlt mehr und nimmt mehr wahr. Circa jeder dritte Mensch wird im Leben einmal psychisch krank, hat sie im Rahmen ihrer Therapieplatzsuche in einem Blog gelesen. Als ihr zum ersten Mal bewusst wurde, dass sie nicht mehr alleine mit ihrem psychischen Leid zurechtkommen würde, hatte sie große Angst, alles zu verlieren und von ihrem Umfeld ausgegrenzt zu werden. Eigentlich hat sie sehr viel gewonnen, resümiert sie. Ihren Arbeitsplatz hat sie behalten. Bald beginnt sie mit der beruflichen Wiedereingliederung. Am Abend würde sie nach über einem Jahr mal wieder ins Theater gehen. Alleine. Einfach so und relativ spontan. So war es nicht nach jeder Sitzung. So war es lange nicht mehr. Therapie kann auch ganz schön anstrengend sein. Was hat ihr vor der ersten Sitzung geholfen? Sie hegt den Wunsch, ein paar Ratschläge und Erfahrungen schriftlich festzuhalten und holt ihr Tagebuch hervor. Am Anfang war nur „Drama“, der Beginn ihrer eigenen Therapieplatzsuche war ein ziemlich großer Akt. Inspiriert von diesem Gedanken setzt sie ihren Kugelschreiber an und schreibt:

Eine Psychotherapie kann man auch selbst zahlen, wenn man über die notwendigen Finanzmittel verfügt. Notfalls kann auch das Sozialamt oder die Beihilfe einspringen und die Kosten übernehmen.

Akt I: Wer bezahlt eigentlich meine Psychotherapie?

Vor meiner ersten Sitzung war ich ziemlich blank und mir saß die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust ziemlich im Nacken. Die Therapie wollte ich aber unbedingt machen. Ich habe recherchiert, dass eine notwendige Psychotherapie eine Krankenkassen-Leistung ist. Im Grund ist eine Krankenkassenkarte ausreichend für die Inanspruchnahme einer Psychotherapie. Insgesamt gibt es zu wenig Kassen-PsychotherapeutInnen, so dass man auch über das „Kostenerstattungsverfahren“ eine Psychotherapie beginnen kann. Dieser bürokratisch etwas aufwendigere Weg sollte gleich zu Beginn telefonisch oder im Gespräch mit einer potentiellen Therapeutin oder mit einem Therapeuten geklärt werden. Ich musste den Weg über das Kostenerstattungsverfahren gehen, was mir überhaupt nicht leichtfiel, weil ich wenig Antrieb hatte, um etwas zu organisieren. Aber ich hatte ein gutes Gefühl bei meiner Therapeutin und konnte mir eine Zusammenarbeit sehr gut vorstellen. Also bin ich diesen etwas steinigeren Weg gegangen. Eine Psychotherapie kann man auch selbst zahlen, wenn man über die notwendigen Finanzmittel verfügt. Notfalls kann auch das Sozialamt oder die Beihilfe einspringen und die Kosten übernehmen.

Akt II: Und wie soll ich nun die Therapeutin oder den Therapeuten finden, der mit mir meine Probleme löst?

Zunächst war ich erschlagen von meiner ersten Recherche. 100 Adressen hatte ich mir herausgesucht, 20 TherapeutInnen hatte ich eine Mail geschrieben oder auf Band gesprochen und nur 5 hatten sich gemeldet. Das hat geschlaucht. Eine Empfehlung hatte ich von einer Freundin bekommen – die Therapeutin hatte sich sofort gemeldet, es sollte aber nicht funktionieren (s. Akt V). Ich vereinbarte mehrere Erstgespräche zum Kennenlernen, fragte stets nach freien Therapieplätzen und das Wort „Warteliste“ mutierte immer mehr zu meinem Unwort des Jahres. Einige TherapeutInnen sagten mir sofort ab. Was mich zunächst verzweifeln ließ, stimmte mich später positiv. Letztendlich verging die Wartezeit doch viel schneller, als ich angenommen hatte. Meine Therapeutin arbeitet mit dem Kostenerstattungsverfahren. Ich brauchte einen Nachweis, dass ich keinen Psychotherapieplatz bei kassenärztlichen TherapeutInnen erhalten konnte. Die Absagen, die ich vorher gesammelt und mit Namen und Datum notiert hatte, halfen mir nun also irgendwie doch weiter. Zu diesem Thema war dieser Link sehr hilfreich.


Für die probatorischen Sitzungen bedarf es keinen Antrag.

Akt III: Folgt nach den ersten zwei Akten dann der Kaltstart?

Als ich meinen Therapieplatz gefunden hatte, folgten erst einmal sogenannte „probatorische Sitzungen“. In 4 Sitzungen sollen sich dabei Patientin und Therapeutin kennenlernen, auch um festzustellen, ob man sich eine Zusammenarbeit vorstellen kann. Die Therapeutin hat meine Macken kennengelernt und ich ihre – jeder Mensch ist verschieden, und diese Verschiedenheit sollte auch in einer therapeutischen Beziehung respektiert werden. Nach den 4 probatorischen Sitzungen hat meine Therapeutin dann einen Antrag für den Beginn einer Psychotherapie bei meiner Krankenkasse gestellt. Für die probatorischen Sitzungen bedarf es keinen Antrag. Meine Therapeutin fragte mich, ob ich mit einer Behandlung einverstanden wäre, was mir irgendwie das Gefühl gab, mich noch einmal bewusst für eine Therapie zu entscheiden. Wir stellten erste Ziele auf, was der Therapie eine bestimmte Richtung vorgeben sollte. Auch die Vor- und Nachteile von einer zusätzlichen Behandlung mit Medikamenten wurde kurz skizziert. Ich entschied mich gegen Medikamente.

Akt IV: Und was mache ich, wenn es in der Therapie mal nicht so gut läuft und ich unzufrieden bin?

Meine erste Therapeutin war einfach nicht die richtige für mich. Vielleicht ist nicht jeder Therapeut für jeden Patienten geeignet. Ich wusste nach den ersten zwei Sitzungen: Das würde nicht funktionieren. Also setzte ich meine Hoffnung in die zweite Therapeutin auf meiner Wunschliste. Glücklicherweise hatte ich da ein viel besseres Gefühl. Es schien zu funktionieren. Für eine Zeit zumindest. Dann hatte ich einige Rückschläge erlitten. Ich zog mich wieder zurück, weinte viel. Zwischenzeitlich hätte ich meine Therapie fast abgebrochen. Rückblickend glaube ich, dass ich mir viel zu hohe Ziele gesteckt habe. Ich konfrontierte meine Therapeutin mit meinen Abbruchgedanken und rechnete mit dem Schlimmsten. Wir nahmen uns Zeit und haben über zwei Sitzungen an realistischen Zielen gearbeitet. Von diesen habe ich schon mehr als die Hälfte erreicht – das fühlt sich richtig gut an. Zweifel kann man ansprechen. Hilfreich war für mich ein Podcast von Dr. Jan Dreher, über den ich erfreulicherweise gestolpert bin. In diesem Podcast geht es um Therapieziele aus Sicht der Verhaltenstherapie (VT), der Tiefenpsychologie (TP) und aus eigener Erfahrung. Dabei wird unter anderem über diese Punkte gesprochen:


  • Ziele von Psychotherapie: nachhaltige Verbesserung des seelischen, geistigen und/oder körperlichen Befindens

  • Schwammige vs. klare Therapieziele

  • Hilfe bei der Zielformulierung

  • Was sind gute Ziele?

Sandra Winter legt zufrieden den Kugelschreiber beiseite und nimmt einen letzten Schluck von ihrem zweiten Cappuccino. Vier Akte zu ihren Erfahrungen bei der Psychotherapieplatzsuche hat sie soeben zu Papier gebracht. Der fünfte Akt soll nun praktischer Natur sein und seinen Höhepunkt am Abend im Theater finden. Wieder betrachtet sie die bunten Blumen vor der alten, schweren Holztür. Dieser Anblick spiegelt ihr aktuelles Leben wider, denkt sie, und für einen Augenblick breitet sich ein Gefühl der Freude in ihr aus, was sie in dieser Intensität lange nicht mehr verspürt hat.

Quellen

1. Flyer Psychotherapie der Suchtambulanz des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf: Informationen zur Psychotherapie zusammengestellt von Dipl. Psych. S. Schubert-Heukeshoven, überarbeitet von Michelle Kraft M. Sc. für die Suchtambulanz des UKE. Stand: August 2017

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