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Kunst in der Psychiatrie oder Psychiatrie in der Kunst?

James Hilman, der amerikanische Psychologe und Jungianer verkündete, dass die Zukunft der Heilkunst in der Rückkehr der Künste liege. Dieser Prophezeiung folgend wirft dieser Beitrag, aus der Sicht einer jungen praktizierenden Kunsttherapeutin, ein Licht auf die Kunsttherapie und stellt schließlich eine jährlich wiederkehrende Kunstausstellung in Hamburg-Eppendorf vor.

© G. Nachtigall / Professor

Dieser Beitrag entstand unter der Mitwirkung von Michaela Christoph.


Das erste Weltereignis, das die Beziehung zwischen Kreativität und Psychopathologie zur Schau stellte, war der Welt-Psychiatrie-Kongress im Jahr 1950 in Paris. Professor Jean Delay, der damalige Psychopharmakologie-Papst und Miterforscher des ersten Antipsychotikums Chlorpromazin, erwies sich als treibende Kraft hinter der großen Ausstellung graphischer Arbeiten von Krisen-Erfahrenen. Robert Volmat, damals junger Assistent, sah seine Aufgabe darin, diese Arbeiten zusammenzutragen und veröffentlichte 1956 „L’Art Psychopathologique“. Mit diesem Werk begründete er eine neue empirische Sichtweise auf die Beziehung zwischen zeichnerischer Aktivität und Psychopathologie. In diesem Zusammenhang ist natürlich die Prinzhorn Sammlung in Heidelberg zu erwähnen. Der erste künstlerische Band wurde bereits 1922 unter dem Titel „Bildnerei der Geisteskranken“ veröffentlicht, jedoch ging es Prinzhorn nicht um die "Analyse" der Bilder, sondern darum den „Urtrieb“ künstlerischen Gestaltens zu verdeutlichen. Im Jahr 1959 erfolgte die Gründung der "SIPE" (Société International de Psychopathologie de l’Expression), eine Gesellschaft die sich zur Aufgabe machte, die noch unsystematischen Einzelbeobachtungen in eine geordnete wissenschaftliche Disziplin weiterzuentwickeln und die klinische Bedeutung dieser Arbeiten zu erforschen. Dies war die Geburtsstunde der psychotherapeutischen Kunsttherapie.  


Obwohl es eine Unzahl von Symposien, Kongressen und Konferenzen sowie Ausstellungen in den letzten 70 Jahren gegeben hat, bleiben Studien zur Wirksamkeit von Kunsttherapien in der Psychiatrie eine Rarität. Bemerkenswert ist die ungemein große Anzahl von Sachbüchern zum Thema Kunsttherapie (Theorie und Praxis). Das liegt vor allem daran, dass es eine ganze Reihe verschiedener Kunsttherapieformen zu erlernen gibt: Einzel- oder Gruppentherapien, tiefenpsychologisch-fundierte, gestalttherapeutische sowie pädagogische und anthroposophische Ansätze, Kunst als plastisch-skulpturale, photographische, malerische und theatralische sowie musikalische Gestaltungsform.

Doch worum geht es in der malerischen und zeichnerischen Kunsttherapie? Dazu haben wir Michaela Christoph, Psychologin und Kunsttherapeutin am Universitätsklinikum Hamburg, gebeten, ihre Erfahrungen mit uns zu teilen:


"In der Kunsttherapie geht es nicht darum, ein schönes Bild zu malen."

In der Kunsttherapie geht es nicht darum, ein schönes Bild zu malen. Es geht darum, die gegenwärtigen Impulse, Gefühle und Empfindungen auszudrücken, dem Raum zu geben, was Raum braucht. Die kreativen Medien der bildenden Kunst können dabei helfen, einen nonverbalen Zugang zum eigenen Erleben zu finden und dieses greifbar zu machen. Zudem können im eigenen künstlerischen Prozess und im Austausch mit anderen neue Perspektiven angeregt werden. So kann durch die Auseinandersetzung auf Bildebene und auf emotionaler Ebene das Erlebte integriert, verändert oder bewältigt werden.

Aus eigener Erfahrung schätzen die Teilnehmenden den wertfreien geschützten Rahmen der therapeutischen Gruppe und nutzen die Kunsttherapie auf vielfältige Weise: Zur Entwicklung des eigenen künstlerischen Stils, zum Erleben von Freude an den Farben und Materialien, zum Experimentieren, zum Bearbeiten eigener Themen, zum Erproben neuer Verhaltensweisen, zur Kommunikation mit anderen.


In der Spezialambulanz für Menschen mit Psychose und Bipolarer Erfahrung (SPA) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf werden bereits seit vielen Jahren Ausstellungen organisiert, damit krisenerfahrene KünstlerInnen ihre Werke ausstellen und in Austausch mit den Betrachtenden kommen können.

Ende November 2018 eröffneten wir eine neue Ausstellung mit rund 70 Bildern. Georg Wege, Jahrgang 1992, präsentiert unter dem Titel „Vom Sprung ins Schwarze, auf den Weg der Farben“ 20 Werke im Foyer der Erwachsenenpsychiatrie. Diese spiegeln die Wege seiner künstlerischen Auseinandersetzung während einer psychotischen Krise und seinen folgenden Entwicklungsprozess in sehr persönlicher und eindrücklicher Weise wider. In den Fluren der SPA zeigen verschiedene KünstlerInnen etwa 50 Werke, die größtenteils in den hiesigen Kreativgruppen entstanden sind und unterschiedlichste Materialien, Techniken und Bildformate umfassen.


Wir danken allen Ausstellenden für Ihre Unterstützung und den Mut, sich zu zeigen!


Die Ausstellung ist bis Ende 2019 im Foyer der Erwachsenenpsychiatrie und in den Fluren der SPA (Haus W37, Martinistraße 52, 20246 Hamburg) zu sehen.


Quellen

  • Psyche und Kunst, Katalog zur Ausstellung anläßlich des XI. Weltkongress für Psychiatrie in Hamburg 1999 – Herausgegeben von Hans-Otto Thomashoff und Dieter Naber

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