Eine Begegnung mit einem der letzten seiner Berufsgruppe stellt den Inhalt unseres aktuellen Beitrags dar. Klaus Weber, Philanthrop, „Nervenarzt“, Psychiater und Neurologe spricht in seinem gemütlichen Zuhause bei Tee und englischen Keksen über sein Elternhaus, seine Assistenzzeit, seine Arbeit in Wilhelmsburg und natürlich seine Lebensphilosophie. Lehnen Sie sich zurück und genießen sie die Videobeiträge - warum nicht mit köstlichen Butterkeksen.
Klaus Weber – Revoluzzer einer aussterbenden Berufsgruppe
Und er ist doch ein Revoluzzer. Klaus Ernst Weber, geboren am 27.09.1944 in Südtirol, wuchs mit einem Vater auf, der unter den Nationalsozialisten gedient hatte und mit einer Mutter, die dem norwegischen Könighaus ergeben war. Für Klaus galt es, sich immer wieder gegen „rechts“ zur Wehr zu setzen und sich aus der Selbstverständlichkeit der Hinnahme von Autokratie und unangefochtener Autorität zu befreien. Ein klares Thema seiner Generation. Erst seine Tochter habe ihm, als Kind der Nachkriegsgeneration, die Akzeptanz „einen Nazi als Vater zu haben“ ermöglicht. Klaus hat sich, auch Dank der Mutter und der Reisen nach Norwegen, früh als Europäer begriffen. Dies ist einer der Widersprüche, die für Klaus so wichtig sind. Einfache, eindimensionale Antworten, wie die Rechtsnationale sie heute anpreist, lehnt er kategorisch ab. Er sei mit Widrigkeiten, Widersprüchen und Zerrissenheit aufgewachsen und habe gelernt, dass es einfache Antworten nicht geben kann.
Zunächst habe Klaus Lehrer werden wollen. Nachdem er in der Bundeswehr in die Sanitätseinheit gewechselt hatte, entstand der Wunsch, Mediziner zu werden. Die Eltern konnten mit diesem Wunsch zunächst wenig anfangen, waren sie doch selbst keine Akademiker und fürchteten die hohen Kosten. Mit dem Kellnern konnte sich Klaus dann aber finanzieren. Begegnungen wie mit Prof. Iver Hand lenkten seine Laufbahn und eröffneten ihm den Zugang zur Verhaltenstherapie. Bis dahin gab es wenige Berührungspunkte mit der Psychiatrie. Er habe sich als Naturwissenschaftler mit Forschungsschwerpunkt gesehen. Als einer der ersten Verhaltenstherapeuten in Deutschland gestaltete Klaus seine Entscheidungen auch deutlich politisch motiviert. Dabei sei ihm aber immer wichtig gewesen, die verletzlichen Patienten nicht für politische Zwecke zu missbrauchen. Etwas, das Klaus beim sozialistischen Patientenkollektiv (SPK) stets angeprangert habe.
Sein Menschenbild beinhaltet bis heute, die Psychiatrie immer auch als sozialpsychiatrische Einrichtung zu verstehen. Auch dies ließ ihn fast 20 Jahre in einer eigenen Praxis in Wilhelmsburg arbeiten und sich in der Ärztekammer für Menschen mit Migrationshintergrund einsetzen. Das Verstehen und der Zugang zum Menschen sind für Klaus entscheidender als Kategorisierungen und Diagnosesysteme. Er möchte wissen, was der Mensch braucht, seine Existenz verstehen und nicht, welche Bezeichnung es dafür zu wählen gilt.
Eine lebenslange Gegenwehr und Gegenbewegung zu den erlebten Diskrepanzen und Haltungen im Elternhaus ließ Klaus meist nicht den bequemen Weg wählen und brachte ihn auf Umwegen ans Ziel.
Die Etappe UKE – von prägenden Begegnungen mit Koryphähen
Noch heute versteht sich Klaus als Nervenarzt. Abgelöst hat der Nervenarzt den „Irrenarzt“ in Deutschland als Bezeichnung und wird heute in zwei Berufsgruppen, den Neurologen und den Psychiater, unterteilt. Als wichtige Station begreift er u.a. seine Zeit von 1977-1982 in der Universitätsklinik Eppendorf (UKE), die von prägenden Begegnungen mit Klaus Grawe, Klaus Dörner und Iver Hand begleitet war. Eine Befähigung des Patienten, sich selbst zu helfen, sich und seine Störung zu verstehen und einen Umgang damit zu ermöglichen, versteht er bis heute als eine wichtige Säule. Diese Einstellung führte damals in der Therapielandschaft unter Klaus‘ Mitgestaltung zur Einführung von Behandlungskonferenzen. Es sollte nicht im Verborgenen, hinter geschlossenen Türen über den Patienten gesprochen werden, sondern eine Einbeziehung stattfinden. Die starke Asymmetrie zwischen ÄrztInnen und PatientInnen der vergangenen Tage, sollte angeglichen werden. Für Klaus galt es, eine „brüderliche statt väterliche Verbindung“ zu ermöglichen. Heute ist er wieder etwas davon abgerückt. „Die Droge Arzt“ wirke besser, wenn es mehr Asymmetrie gebe. Bis heute denkt Klaus multifaktoriell über psychische Störungen - es seien immer soziale, psychologische und biologische Komponenten entscheidend.
Camera Silens – Was hinter verborgenen Türen geschah und was die Bundeswehr damit zu tun hat
Während seiner Zeit im UKE war Klaus an der Forschung zu Reizdeprivation beteiligt. Dabei wurde ein Raum geschaffen, der unter kontrollierten Bedingungen eine Reizabschirmung ermöglichte. Untersucht wurden depressive und psychotische Probanden. Dabei wurde festgestellt, dass bei depressiv Erkrankten eine Linderung der Symptome stattfand, bei Psychose-Betroffenen jedoch eine Zunahme der produktiven Symptomatik vorlag.
Die Untersuchung geriet an die Öffentlichkeit, da ein wissenschaftlicher Mitarbeiter geheime Absprachen mit der Bundeswehr getroffen hatte. Wellen der Empörungen schlugen über das UKE zusammen. Klaus nahm sich nach diesem Zwischenfall die Helsinki- Deklaration, die ethische Grundsätze zu Forschung am Menschen festlegt, besonders zu Herzen, was seinem Doktorvater zunächst wenig entgegenkam. Doch auch hier hatte es sich für Klaus gelohnt, seine Meinung zu vertreten. Doch schauen sie selbst.
Stigma – Von Entwertung und dem Ein- und Ausgrenzen
Stigmatisierung sei bis heute relevant. Es habe sich jedoch geändert, was oder wer stigmatisiert werde. Der Zeitgeist prägt die Form der Stigmatisierung, hier geraten bestimmte Störungen in den Vordergrund. Diese werden auch medial und auch im professionellen Kontext leichtfertig verwendet. Es stehe mehr als je zuvor das Funktionieren im Fokus, was das Eingestehen einer vermeintlichen Schwäche, einer psychischen Störung zusätzlich behindere.
Doch auch auf der professionellen Seite werde entwertet. Die Psychiatrie habe bis heute starke Nachwuchsprobleme, die Psychiater entwerteten sich selbst und werden auch von Kollegen anderer Fachbereiche stigmatisiert. Welche Befürchtungen dahinterstecken könnten, erzählt Klaus im folgenden Video.
Supervision –An der richtigen Stelle graben und Schätze heben
Klaus kann auf viele Stationen und Erfahrungen zurückblicken und gibt diese schon seit 1991 an Lernende, z.B. Assistenzärzte weiter. Worauf es ihm dabei ankommt, erzählt er hier.
Wilhelmsburg – eine schwarze Fahne auf der Karte
Ein Einzugsgebiet von 60.000 Menschen. Seit einem Jahr unversorgt. Für Klaus stand fest, da wird meine Praxis sein. Mit Kredit und Familie im Gepäck wurde dies für 20 Jahre ein zweiter Lebensmittelpunkt. Die schwierige soziale Realität war und durfte nicht ausgeblendet werden, er habe sich einsetzen müssen, auch für die sozialen Belange seiner Patienten. Das dort ein hoher Prozentsatz von Menschen mit Migrationshintergrund wohnte und auch transkulturelle Aspekte eine Rolle spielten, habe Klaus nicht abgeschreckt. Das Praktizieren habe ihn auch fortgebildet. Was Klaus noch entscheidender findet als die Benachteiligung und den Fokus auf die Migration, erfahrt ihr jetzt.
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